Nun stellt sich die Frage, wie aus der Information meines Nachbarn Reinhardt dieses Buch geworden ist!

Nun, das Original ist in Sütherlin-Schrift (Altdeutsche Schreibschrift) erstellt und heutzutage fast von niemandem mehr lesbar. Meine Großmutter und mein Großvater (beide waren 1919 geboren) hatten noch Sütherlin in der Schule gelernt - meine Eltern hingegen schon nicht mehr.

Wir wollten aber wissen, was in diesem Buch aufgeschrieben steht, um uns einen Eindruck zu verschaffen, worum sich die Bewohner Frohnlachs vor ca. 100 Jahren gestritten haben.

Die Lösung war nicht leicht! Im Internet versuchte ich anhand von Buchstabentabellen mit das Lesen dieser alten deutschen Schrift selbst beizubringen. Der Versuch endete mit Frustration. Wer kann sich schon Lesen und Schreiben selbst beibringen?

 

Meiner Schwiegermutter Ruth Birkhölzer aus Neuendettelsau klagte ich eines Tages mein Leid darüber. Sie sagte sogleich, dass sie noch Sütherlin in der Schule als Schreibschrift erlernt hatte und - wenngleich aus der Übung - sie sich das sehr wohl zutrauen würde. Ich freute mich und erstellte den Plan, dass sie ein Diktiergerät bekommt und Seite für Seite vorliest, was ich dann später aufschreiben kann. Gesagt – getan. Sie legte auch sogleich los. Seite für Seite wurde ins Diktiergerät gelesen. Vier ganze Kassetten (das waren Datenträger lange bevor die CD oder DVD erfunden wurde) wurden besprochen. Doch bevor das Buch fertig vorgelesen war, erlitt Ruth bei einem Sturz einen Schädelbasisbruch und fiel für mehrere Monate aus. Zum Glück war Sie danach wieder soweit genesen, dass die Arbeit abgeschlossen werden konnte.

 

Nun besaß ich den Inhalt des Buches auf Kassette und konnte das Buch anhören: Hörbuch!

 

Schon ca. ½ Jahr früher entstand die Idee den Inhalt des Buches zu veröffentlichen, um den Bürgerinnen und Bürgern Frohnlachs, aber auch allen anderen Interessierten, die Möglichkeit zu schaffen, dieses einmalige Dokument der Zeitgeschichte Frohnlachs zu erlesen.

Viel zu oft wird in Geschichtsbüchern die Geschichte der Herrscher erzählt und deren Probleme bei der Regierung ihres Landes. Über die Nöte und Ängste der Bevölkerung Frohnlachs – vor allem untereinander - berichtet dieses Buch. Hier lag die Chance einen kleinen Ausschnitt von meinem Heimatdorf zu dokumentieren und der Nachwelt zu erhalten.

 

Ich setzte mich an meinen Computer und schrieb Seite für Seite auf, bzw. ab. Parallel zum Diktiergerät las ich im Originalbuch mit. So gelang es mir ganz nebenbei mich einzulesen in diese schon bald vergessene Schreibschrift.

 

Ich war sehr überrascht, dass dieses dünne Büchlein dann am Ende so viele Seiten füllte. Das Papier des Original-Klagebuchs ist so dünn, das man kaum ahnen kann, dass sich soviele einzelne Seiten darin verbergen.

 

Nun wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen und viele Freude beim anschließenden Diskutieren und Interpretieren!

 

 

Ihr

 

Jochen Kirchner