Die Raubritter von der Butzenstirn

Von Harald Kutscher

Ungefähr auf halber Strecke zwischen meinem Heimatdorf Neuensorg und Frohnlach liegt die „Butzenstirn" (in alten Karten oft auch als „Butzastirn" bezeichnet), ein Geländestreifen von rd. 1,6 ha, der im Süden vom neuen Wirtschaftsweg Frohnlach-Neuensorg bzw. vom Flurbereich „Pechgraben" und im Norden vom Dörrhöfer Mühlgraben" begrenzt wird. In westlicher Richtung reicht die Butzenstirn bis zu den Schönungsteichen der neuen Kläranlage, wäh­rend sie sich im Osten bis auf halbem Weg zur Dürrmühle erstreckt. Da hier auf diesem nach Norden hin abfallenden Gelände, welches land­wirtschaftlich genutzt wird, noch um die Jahrhundertwende verrostete Hufeisen und Säbel mit ausgeackert wurden, wundert es nicht, wenn sich um die Butzenstirn allerlei Geschichten und Sagen ranken, wovon auch der frühere Gemeindesekretär Arno Rüger in seiner Chronik zu berich­ten wußte.

Nachfolgend möchte ich versuchen, die wesentlichsten Erkenntnisse über die Butzenstirn, wie sie überliefert wurden, weiterzugeben. Vieles davon ist historisch belegt, anderes wurde von Generation zu Generation weiter­erzählt und somit immer mehr zur Sage und Mär umgedichtet. Auf einer alten Karte aus dem Jahre 1736, die sich im Staatsarchiv Coburg befindet, sind im Bereich der Butzenstirn verschiedene interes­sante Eintragungen vermerkt. So heißt es hier u. a. „allhier ist einer erschossen und in Sonnefeld begraben worden" oder „auf diesem Eck hat Sachsen einen begraben lassen".

Vielleicht sind diese Eintragungen ein Hinweis darauf, was auch manche Geschichtsforscher vermuten, nämlich, daß sich hier auf der Butzenstirn früher ein Gerichtsplatz befunden haben soll, evtl. schon in alter Ger­manenzeit, ein sogenanntes „Thing".

Im Jahre 1584 wurde auf Anordnung des Herzogs Johann Casimir für das Amt Sonnefeld ein neues Amtserbbuch angelegt, nach dem heutigen Sprachgebrauch ein Grundbuch. Danach gehörte zu Frohnlach auf der Butzenstirn ein Gehöft, der sogenannte „Dürrhof". Dieser ist wahr­scheinlich im 30jährigen Krieg (1618-1648) untergegangen. Die Überlieferung weiß aber weiter zu berichten, daß auf der Butzenstirn im frühen Mittelalter eine Raubritterburg gestanden haben soll. Dies wird auch in der Chronik von Frohnlach und den alten Flurbüchern über­liefert. Gemeint ist hier wahrscheinlich das befestigte Haus des Vogtes von Frohnlach, das sogenannte „Turmhaus". Der Eingang lag auf der Nordseite und war von Frohnlach aus über die Pförtleins- und Bilbothsfahrt zu erreichen.

Die alte Geleit- und Handelsstraße von Coburg nach Kronach und Kulmbach verlief über die Kreuzgasse und den „Feldschrank" (am Fuß der Butzenstirn). Hier teilte sie sich nach links über Sonnefeld nach Kronach und nach rechts durch den Forst über Zettlitz nach Kulmbach. Am „Kiefernen Hölzla" war Lager- und Rastplatz für die Fuhrwerks-Karawanen. Der spätere Klostergasthof in Frohnlach (wahrscheinlich der frühere „Goldene Adler") sorgte für das leibliche Wohl. Wir wissen heute weiter, daß die Nordgrenze des großen Lichtenfelser Forstes im 11. Jahrhundert von Forsthub über Zeickhorn, Friesendorf, dem Lindenbach und dem tiefen Graben zum alten Ort „Schnei" (südöstlich von Großgarnstadt) und von dort aus durch den Eichgrund zum Rödergrund verlief.

Durch Rodungen an den Grenzen dieses Forstes sind unsere Dörfer ent­standen und angelegt worden. Dies geschah durch angrenzende Adelige, denen der Grund und Boden oft wahrscheinlich überhaupt nicht gehörte. Sie sind vom Norden her in diesen Forst vorgedrungen und haben sich somit eigenmächtig bereichert.

Vom Turmhaus auf der Butzenstirn aus war die Handelsstraße und vor allem der Lager- und Rastplatz einwandfrei zu übersehen. Die hohle Gasse zwischen dem Feldschrank und der Neuensorger Höhe war von Natur aus einmalig und wie geschaffen für Raubzüge und Überfälle. „Durch diese hohle Gasse mußten sie kommen", kann man hier in Bezug auf Wilhelm Teil wohl sagen.

So waren die Vögte zu Raubrittern geworden und konnten sich einen guten Nebenverdienst beschaffen. Die gepeinigten Kauf- und Fuhrleute konnten noch froh sein, wenn sie mit ihrem Leben bzw. etwas Hab und Gut davon kamen.

Es ist anzunehmen, daß diese Vogtei von Frohnlach bald wieder eingegangen ist. Das spätere Kloster Sonnefeld, dem der Ort als Besitz zu­gewiesen wurde, hat diese Eigenmächtigkeiten des Vogtes nicht geduldet. In den Urbaren des Klosters (Verzeichnis der Grundstücke einer Grund-Herrschaft) und späteren Amtes Sonnefeld findet sich auch kein Hinweis auf die Existenz der Vogtei von Frohnlach.

Man kann also davon ausgehen, daß es sich bei der angeblichen Raubrit­terburg auf der Butzenstirn um das befestigte Haus der Vogtei von Frohnlach gehandelt hat, welches auf Grund der bisherigen Erkenntnisse nur dort gestanden haben kann. Vielleicht ist es späteren Heimatfor­schern vergönnt, im Holzschrot südwestlich der Pförtleinsbrücke Spuren des ehemaligen befestigten Hauses zu finden und den Beweis für den tatsächlichen Standort der Vogtei von Frohnlach zu erbringen.

 

Mit freundlicher Genehmigung der Arbeitsgruppe ‚Spurensuche’ – aus den Dorfgeschichten Band 5 von 1991