Geheimnis um den Frohnlacher Berg gelüftet

Vermutung bestätigte sich:  Alte Frohnlach" bildete früher eine eigene Gemarkung mit frühmittelalterlicher Anlage
Quelle: Tageblatt vom 03. Januar 1970

Von Oberlehrer Erich Meißner

Der Wanderweg von Ebersdorf zur Göritzenquelle über das Hochplateau der Frohn­lacher Kuppe führt auch durch das „Alte Frohnlach". Dort soll der Sage nach einst der Ort Frohnlach gestanden haben. Nunmehr hat sich herausgestellt, daß der Frohn­lacher Berg ein weiteres Geheimnis birgt, nämlich eine frühmittelalterliche Turm­hügelanlage. Damit bestätigt sich die Vermutung, daß das „Alte Frohnlach" mit seinen Feldern, Wiesen, Hutungen und Hölzern früher eine eigene Gemarkung gebildet hat, bevor es zur Wüstung wurde. Es ist gelungen, die genauen Grenzen dieser Altflur fest­zustellen. Noch vor 200 Jahren gebrauchte man die Bezeichnung „in der Schnei auf dem Frohnlach". Dr. W. Lorenz sucht die abgegangene Siedlung Schnei zwischen Großgarn­stadt und Frohnlach am Oberlauf des Schneibaches. Die Auffindung der Turmhügel­anlage bestätigt die Richtigkeit seiner Annahme und erweitert die Kenntnisse über die frühmittelalterliche Siedlungstätigkeit in unserem Raum.

An der Stelle, wo der Wanderweg das Hochplateau verläßt, um durch das Dürre Gehölz zu den Schneiwiesen abzusteigen, befinden sich die Überreste einer alten Turmhügelanlage. Sie bietet das typische Bild einer Höhenbefestigung in der Hanglage. Eine tiefe, halsgraben-artige Auskehlung auf der Bergseite trennt den inselartigen Aufwurf vom Hang und sichert ihn nach Westen zu. Der ursprüngliche Verlauf des Grabens läßt sich auf dieser Seite noch gut erkennen. Leider haben Steinbrucharbeiten, die um die Jahrhundertwende zwecks Gewinnung eines minderwertigen Sandsteins hier durchgeführt wurden, das Bild der Gesamtanlage völlig verdorben. An der West- und Südseite führte die nachträgliche Vertiefung des Grabens im Halbrund zur Bildung eines Teiches; an der Talseite wurde der Abraum zu ansehnlichen Hügeln aufgetürmt. Der Graben an der Nordseite verschwand vollständig unter den Abraummassen. Die Umstände lassen darauf schließen, daß es sich um eine jüngere Anlage handelt, die in Verbindung mit der Rodungssiedlung Schnei gedeutet werden muß. Nicht die geringste Spur mündlicher oder schriftlicher Überlieferung weist auf die ehemalige Befestigung hin: den wenigsten ist die Örtlichkeit bekannt, sie besitzt  nicht einmal einen eigenen Namen.

Umso deutlicher reden die Flurnamen der unmittelbaren Umgebung; sie plaudern seit Jahrhunderten aus, was niemand mehr versteht. An dieser Stelle des Frohnlacher Berges geben sich nämlich zahlreiche Flurnamen ein Stelldichein, die sämtlich mit „Dürr" zusammengesetzt sind. Da gibt es das Dürre Gehölz, den Dürren Bühl, den Dürrenbühlgraben, die Dürre Hut, den Dürren Rangen, die Dürren Wiesen, das Dürrewiesenholz und das Dürrn-ried. Seltsamerweise läßt sich in der Runde nichts Dürres erkennen; Baum und Gras grünen hier genauso wie anderswo. Das Attribut „dürr" hat denn auch mit dem Adjektiv nicht das Geringste zu tun; es leitet sich von dem mhd. Substantiv „turn" = Turm her; noch vor 200 Jahren wurde der Dürre Bühl „Türrnbühl" geschrieben. Der Turm, der einst hier stand, wirkte also namengebend für die nähere Umgebung; ohne diesen Umstand wäre man kaum hinter das Geheimnis des Alten Frohnlach gekommen. Sicherlich weist nicht jede Dürre Wiese auf einen Turmhügel hin, aber wo der „Turn" stand, war auch die Dürre Wiese nicht weit. Helmut Rischert hat bereits am Beispiel des Edelsitzes Dürrnhof unter Lichtenstein diese Frage überzeugend geklärt, (s. Baunach-und Itzbote Nr. 39 v. 15. 2. 69).


Vor 700 Jahren lag der Platz nicht so einsam in seinem Waldversteck wie heute. Knapp 250 Meter hangabwärts in nördlicher Richtung saßen die Bauern von Schnei auf ihren Höfen; auch eine Mühle wird noch 1297 genannt. Mit Sicherheit lassen sich diesseits des Schneibaches zwei Siedelstellen erkennen: eine am Übergang des alten Großgarnstadter Weges über den Bach, die andere etwa 200 m westlich davon nahe der starken Quelle im Kastenschrot. Die fränkische Rodungssiedlung Schnei führte ihren Namen nach dem Schneibach. Schnei bedeutet soviel wie „Grenze". Der Schneibach grenzte den Banzer Herrschaftswald nach Osten ab und trennte außerdem die Centen Lichtenfels und Marktgraitz.

Obwohl keine urkundlichen Nachweise vorliegen, darf angenommen werden, daß Schnei als bischöfliche Rodungssiedlung zur Ausstattung der Abtei Banz verwendet worden war. Banz erschient jedenfalls, - ebenso wie in dem benachbarten Vorke -, als Oberlehensherr. Lehensträger der Äbte von Banz und Inhaber der Vogteirechte über Schnei waren im 13. Jahrhundert die Herren von Ratzenberg, ein im unteren Itzgrund reichbegütertes bambergisches Ministerialengeschlecht, das seinerseits die Ausübung der grundherrlichen Rechte an Afterlehensmänner weitervergabte. Auf dem Turmhügel zu Schnei walteten zuletzt also Vögte derer von Ratzenberg ihres Amtes. In einer Urkunde aus dem Jahre 1288 werden sie namentlich angeführt. Damals befand sich die örtliche Vogtei allerdings schon im Stadium der Auflösung, denn das in nächster Nähe gegründete Kloster Sonnefeld zog in immer stärkerem Maße die Lehenschaften des niederen Adels an sich und erkannte keine fremden Vogteirechte über seinen Besitz an. So hatte Heinrich v. Sonneberg bereits 1264 die Vogtei entscheidend geschwächt, als er 3 Mansen in Schnei dem Kloster übergab. Schnei war wie eine Insel ringsum von Sonnefelder Besitz eingeschlossen. 1283 hatte Friedrich III. v. Ratzenberg dem Kloster Banz seine Rechte an Schnei zurückgeben, machte diese Besitzrechte aber sofort nach dem Brand des Klosters Sonnefeld wieder geltend (1287), wohl in der Hoffnung, daß es nun mit der Herrschaft der Zisterzienserinnen ein Ende habe. Doch Banz behielt sich die Ausübung der verbliebenen   Lehens-   und   Vogteirechte   über Schnei  selbst  vor.  Dem Verfall der Vogtei folgte wenig später der Verfall der gesamten Siedlung Schnei; sie wird 1317 im Urbar der neuen   Herrschaft   Henneberg   letztmals   erwähnt. Die zur Wüstung gehörigen Liegenschaften wurden nahezu vollständig der Gemarkung Frohnlach zugeteilt, jedoch zumeist von   Großgarnstadt   aus   bewirtschaftet.   Der Banzer Lehensanteil, bestehend aus 3 Gütern und 12 Einzelstücken, wurde als geschlossener Komplex unter der Bezeichnung „Altes Frohnlach" von der Banzer Lehensvogtei zu Buch a. F. bis zum Jahre 1802 verwaltet. Die Sonnefelder Lehen der Wüstung  Schnei  lagen sämtlich  nahe der  Großgarnstadter  Grenze (auf   der   Zeichnung   durch   eine   Punktlinie markiert).

 

Siedlungsgeschichtlich bedeutsam erscheint die Bestimmung von Turmhügelanlagen vor allem deswegen, weil durch jedes neue Objekt im Einzelfall der Nachweis erbracht wird, dass die Zahl der frühmittelalterlichen Siedlungen in unserer Heimat um ein Vielfaches größer war als die Zahl der gegenwärtig bestehenden Ortschaften. Die meisten unserer Ortsfluren setzen sich aus mehreren ehemals völlig selbständigen Einzelfluren zusammen, deren jede trotz ihrer bescheidenen Größe dennoch ihren grundherrlichen Verwaltungsmittelpunkt besaß, eben die Vogtei mit ihrem Turmhügel. Am Beispiel Frohnlach läßt sich nachweisen, daß die heutige Flur aus vier Einzelfluren entstanden ist. In den Nachbargemeinden, z.B. Großgarnstadt, liegen die Verhältnisse ähnlich. Die Turmhügelforschung und die Wüstungsforschung haben noch ein reiches Aufgabenfeld vor sich.

Anmerkungen:

 l) Walter   Lorenz,   Campus   Solls   (Kalimünz 1955), S. 177.

2) Ebd. S. 177 f.

3) Baunach- und hzbnte Nrn. 38 u. 39 vom 15. u. 17. 2. 1969.

4) Oskar  Frhr.  v.   Sdiaumherg,   Regesten   des fränkischfn Geschlechts von Schaumberg T. II (Coburg  1939), Nr.   122.

 5) Staatsarchiv    Coburg,    LA-Urk.   F   VI   2 a. Nr. 12.

6) Ebd. LA F Nr..  1624 fol. 190; vgl. auch fol. •      215 u. LA F Nr. 2691 fol. 5.

7) Hauptstaatsarchiv München Abt. I, Kurbaiern Urk. 18562.

8) Hellmut Kunstmann, Mensch und Burg (Würzburg 1967), S. 61.

9) Staatsarchiv Coburg, GA II 50c fol. 50', 53: u. öfter.

11) Ebd. fol. 54.

12) Staatsarchiv Coburg, StA-PlSlg Nr. 345.