Frl. Marie Döring

Von Harald Kutscher

 

 

Ehrenbürger unserer Gemeinde — Oberlehrerin Marie Döring

Sie erwarb sich große Verdienste um die Frohnlacher Schuljugend

Von Harald Kutscher

In seiner Sitzung am 28. Mai 1962 beschloß der Gemeinderat der ehemals selbständigen Gemeinde Frohnlach, Oberlehrerin Marie Döring das Ehrenbürgerrecht zu verleihen. Die hohe Auszeichnung wurde Frau Döring in Anerkennung und Würdigung ihrer großen Verdienste um die Erziehung und Ausbildung der Schuljugend während ihrer 35jährigen Tätigkeit als Pädagogin in Frohnlach zuteil.

Die Ehrenbürgerin stammte aus Löwenstein, Krs. Heilbronn, wo sie am 27. 9. 1897 geboren wurde. Hier wuchs sie auch auf und besuchte die Schule. Wo sie ihre ersten beruflichen Erfahrungen sammelte, ist leider heute nicht mehr bekannt. Auf jeden Fall trat sie an der Frohnlacher Schule ihren Dienst am 1. 5. 1927 an. Ehemaligen Schülerinnen ist sie als hochgebildete Pädagogin in Erinnerung geblieben, die den ihr anvertrau­ten Jugendlichen viel Wissen vermitteln konnte. Sie sei eine Respekts­person gewesen, die streng aber gerecht den Unterricht gestaltete. Auch während des Dritten Reiches blieb sie ihrer Linie treu. Zwar wurde sie nachweislich gezwungen, in die NSDAP einzutreten, doch hat sie den ihr ans Herz gewachsenen Lehrerberuf in gewohnter Weise fortgeführt.

 

 

 

Spaziergang mit Frl. Döring vor 60 Jahren. Das Gelände an der heutigen Ringstraße ist inzwischen voll bebaut

 

 

 

 

Kinderfest in den 50er Jahren auf dem damaligen Sportplatz an der Schule

 

Nach Kriegsende wurde sie jedoch aufgrund ihrer Parteimitgliedschaft zunächst aus dem Dienst entlassen. Diese Entscheidung der Militärregie­rung, die im Rahmen der Entnazifizierungs-Verfahren getroffen wurde, hat sie menschlich sehr berührt, da damit ja auch eine Trennung von ihren Frohnlacher Kindern verbunden war.

Der Schulbetrieb in Frohnlach wurde nach erteilter Genehmigung durch die Militärbehörde am 25. 9. 1945 wieder aufgenommen, als Lehre­rinnen wurden zunächst Frau Marie Kohout als Schulleiterin und Frau G. Warnatsch eingesetzt.

Dem Gemeinderat war jedoch sehr an einer Wiedereinstellung von Frau Döring gelegen. Aus diesem Grunde wurde am 23. 5. 1946 ein Gesuch an die zuständigen Behörden gerichtet.

In diesem Antrag gaben die seinerzeitigen Gemeindevertreter, von denen als einziger noch Herr Rudi Gehrlicher am Leben ist, eine Ehren­erklärung für Frau Döring ab, in der es u.a. hieß: „Frau Döring, die seit nahezu 20 Jahren ihren Lehrerberuf in Frohnlach ausübt, hat sich in diesen Jahren beruflich und menschlich bestens be­währt. Im Jahre 1933 wurde sie auf Betreiben des ehemaligen Schul­leiters, der zugleich Ortsgruppenleiter der NSDAP war, in die Partei ge­zwungen. Trotzdem hat sie ihren Lehrerberuf in gewohnter Weise fort­geführt und die ihr an sich zur Pflicht gemachten nationalsozialistischen Lehren nicht zur Anwendung gebracht. Frau Döring war im Herzen niemals nationalsozialistisch und ist deshalb würdig, wieder als Lehrerin in der Gemeinde eingesetzt zu werden."

 

 

 

Soweit die Erklärung des Frohnlacher Gemeinderates, die auch der be­reits erwähnte Zeitzeuge Rudi Gehrlicher noch heute vorbehaltlos bestäti­gen kann und in der sich die ganze Problematik der damaligen Nach­kriegszeit widerspiegelt. Nicht wenige wurden Parteimitglieder im Dritten Reich, ohne daß sie die Interessen dieser unheilvollen Bewegung mit­getragen oder gefördert haben.

Erkennen wir hier nicht gewisse Parallelen zu unserer jüngsten Geschich­te, sprich zu den Geschehnissen in der früheren DDR nach der friedvollen Wiedervereinigung unseres Vaterlandes? Wer hat Schuld auf sich ge­laden, wer nicht? Wo endet die Schuld des Staates bzw. der Partei und wo beginnt die persönliche Schuld des Einzelnen? Hier sollte man sich hüten, meine ich, ein vorschnelles Urteil über Menschen zu fällen, ohne deren individuelle Lebensgeschichte zu kennen. Aber zurück zu unserer Geschichte.

Die Bemühungen der Gemeinde, die eigentlich von der ganzen Ein­wohnerschaft mitgetragen wurden, waren zwar von Erfolg gekrönt, aber es dauerte immerhin noch bis zum Jahre 1948, ehe Frau Döring wieder an der Frohnlacher Schule unterrichten durfte. Mit großer Freude nahm sie ihre Arbeit wieder auf.

 

 

Bürgermeister Willy Martin übergibt den Ehrenteller der Gemeinde

 

 

Bürgermeister Willy Martin mit Gemeinderat von Frohnlach anläßlich der Ehrung für

25jährige Schultätigkeit

 

 

Marie Döring wird im Jahre 1962 von Schulrat Ernst Riediger aus dem Schuldienst verabschiedet

 

 

 

Frl. Döring bei ihrer letzten „amtlichen" Rede. Auch Hauptlehrer Oscar Schilling war als einer ihrer Vorgänger mit dabei

 

 

Am 29. 4. 1952 wurde sie für ihre 25jährige Schultätigkeit in Anwesen­heit von Bezirksschulrat Bauersachs, des Gemeinderates und der Lehrer­schaft in einer würdigen Feierstunde im renovierten Schulhaus geehrt. Bei ihrer Versetzung in den Ruhestand wurde ihr anläßlich der Schul­abschlußfeier am 19. 7. 1962 im Saal „Zur Linde" in Anerkennung ihrer pädagogischen Dienste das Ehrenbürgerrecht verliehen. Am 10. 10. 1962 verließ sie ihre „zweite Heimat" Frohnlach und verbrachte ihren Lebensabend in ihrer Geburtsgemeinde Löwenstein. Am 6. 3. 1973 schließlich verstarb Frohnlachs einzige Ehrenbürgerin im Kran­kenhaus von Heilbronn und wurde am 9. 3. 1973 auf dem Friedhof Löwenstein beigesetzt. An der Beerdigung nahm eine 20köpfige Frohnlacher Delegation mit l. Bürgermeister Erwin Friedrich an der Spitze teil. Das Bildmaterial zu diesem Bericht stammt ausschließlich aus dem Privatarchiv von Frau Trude Schillig, die selbst Schülerin bei Frau Dö­ring war, und der ich für ihre Unterstützung bei den Recherchen ausdrück­lich danken möchte.

 

 

Mit freundlicher Genehmigung der Arbeitsgruppe ‚Spurensuche’ – Auszug aus den ‚Dorfgeschichten’